Vom göttlichen und vom weltlichen Regime

Tue, 24 Jan 2017 11:22:31 +0000 von Ralf Neite

Ministerpräsident ruft in einer Kanzelrede in der Heersumer Urbanikirche zum gesellschaftlichen Engagement auf

Heersum. Es war eine Frage des richtigen Timings: Mathias Klein, Kirchenvorsteher und Lektor in der Heersumer Urbanikirche hatte Stephan Weil ganz unkompliziert als Gastprediger für Heersum gewinnen können. Als Redakteur bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hatte er den Ministerpräsidenten schon bei verschiedenen Gelegenheiten getroffen. Vor einem Jahr berichtete er dann zu Karneval über den Sturm der Staatskanzlei durch die Lindener Narren. „Ich weiß noch, dass eine Tänzerin gerade im Spagat auf seinem Schreibtisch saß", erinnert Klein sich amüsiert. „Bei der Gelegenheit habe ich ihn gefragt und er hat sofort zugesagt."

Stephan Weil hielt Wort und reiste am Sonntag in das beschauliche Heersum, um in der gut besetzten Kirche eine Kanzelrede zu halten. Passend zum Reformationsjubiläum hatte sich Weil, der selbst katholisch getauft ist, die Zwei-Regimente Lehre von Martin Luther zum Thema genommen. Wer sich mit dem Werk Luthers auseinandersetze, komme nicht umhin, sich einige grundsätzliche Fragen zu stellen, hielt Weil zu Beginn fest.

Eine dieser Grundsatzfragen betreffe das persönliche Verhältnis der Bürger zum Staat. „Martin Luther hat auf diese Frage eine ganz eigene Antwort gegeben. Und die ist trotz aller historischer Unterschiede ganz aktuell", erklärte Weil. Neben dem göttlichen Regiment gebe es, laut Luther, auch ein weltliches Regiment. Luther habe von den Menschen erwartet, sich auch für das Weltliche zu engagieren.

In unserer heutigen Zeit, in einem demokratischen Staat, sei dieses Engagement umso wichtiger, betonte Weil. „Eine Diktatur kommt gut ohne aktive Bürger aus. Eine Demokratie geht ohne aktive Bürgerinnen und Bürger zu Grunde. Wir brauchen Wählerinnen und Wähler, die zur Wahl gehen. Wir brauchen Bürgerinnen und Bürger, die bei Wahlen kandidieren." Aber auch bei dem Schutz der Freiheit und von Schwächeren in der Gesellschaft sei der Staat auf das Engagement seiner Bürger angewiesen.

Heutzutage seien die Ziele des geistlichen und des weltlichen Regiments einander sehr ähnlich, so Weil: „Zwischen den Vorgaben der Bibel und den Werten des Grundgesetzes gibt es keine großen Unterschiede." Zum Beleg zog er zwei der wohl bekanntesten Sätze aus der Bibel und dem Grundgesetz heran: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" und „Die Würde des Menschen ist unantastbar". Beide Sätze wiesen zum Beispiel in der aktuellen Flüchtlingskrise in die gleiche Richtung. „Das sind nicht in erster Linie Zahlen oder Probleme, die zu uns kommen, sondern es sind erst einmal Menschen."

In den letzten Jahren hätten gerade Kirchengemeinden in diesem Zusammenhang ein vorbildliches Engagement gezeigt, sagt der Ministerpräsident. Dieses Engagement werde auch weiterhin gebraucht. Gerade wenn Vorurteile geschürt würden, gebe es eine Christenpflicht zum Einmischen. Weil war sicher: „Luther würde heute dazu aufrufen, den demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen und für ihn einzutreten."

Und auch Pastorin Hanna Wagner, die zusammen mit Pastor Peter Michael Wiegandt durch den Gottesdienst führte, stimmte den Worten des Ministerpräsidenten zu: „Ich glaube als Christenmensch ist man gefordert, sich einzubringen", stimmte sie zu. "Man muss nicht die Welt retten. Aber man kann sich bewusst machen, dass man in der eigenen Gemeinde viel bewirken kann." Dittrich

Staat und Kirche arbeiten gut zusammen, findet Ministerpräsident Stephan Weil. "Wir wissen, was wir aneinander haben und dass wir uns gegenseitig brauchen.

Nach dem gemeinsamen Gottesdienst (v.l.): Pastorin Hanna Wagner, Vorsitzender des Kirchenvorstands Günter Gondeck, Ministerpräsident Stephan Weil, Kirchenvorsteher und Lektor Mathias Klein und Pastor Peter Michael Wiegandt.
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