Andrea Haase löst Christiane Neukirch in der Gehörlosen-Seelsorge in Hildesheim ab
Hildesheim/Burgstemmen. Jeder tausendste Mensch ist gehörlos, statistisch gesehen. Für sie – und für alle, die nur sehr wenig hören können – hat die evangelische Landeskirche Hannovers die gebärdensprachliche Seelsorge eingerichtet. In der Stadt und er Region Hildesheim gibt es eine lebendige Gehörlosenszene mit verschiedensten Gruppen, Vereinen und auch einer Gemeinde. 16 Jahre lang betreute sie Pastorin Christiane Neukirch aus Hannover neben sieben weiteren Gebärdengemeinden von Göttingen bis Stade. Nun will sie sich auf stärker auf ihre Aufgaben in der Landeskirche konzentrieren und gibt den Stab an Andrea Haase weiter.
Für Andrea Haase, die sich seit dem Jahr 2000 mit ihrem Mann Bernd Ulrich Rüter eine Selle in der Dreikirchen-Gemeinde Burgstemmen-Mahlerten-Heyersum und in St. Dionysius Adensen geteilt hat, bedeutet der Wechsel einen fast kompletten Neustart. Fast, denn vor 20 Jahren hat sie ein Sondervikariat in der Gehörlosen-Seelsorge (so der damalige Name) absolviert. Dennoch muss Andrea Haase noch einmal von vorne anfangen. Das heißt nicht zuletzt: die Gebärdensprache erlernen. „Vieles verstehe ich einfach noch nicht“, räumt die 53-Jährige ein. Aber sie finde vor allem bei den älteren Gemeindemitgliedern eine große Hilfsbereitschaft und Geduld. Bei jeder Gelegenheit lerne sie neue Gebärden. „Sie sind sehr motivierend“, freut sich Andrea Haase.
Zu ihrem Job gehört auch – wie schon bei Christiane Neukirch – der Religionsunterricht im Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte. Eine ganz neue Erfahrung, so Andrea Haase: „Wenn man an die Tafel schreibt, ist es hinter einem meistens ruhig. Aber das heißt nicht, dass nicht gequasselt wird.“ Die Lehrerin bekommt davon nichts mit, weil ja lautlos mit den Händen geredet wird.
Unterricht und Seelsorge für Menschen mit Hörschädigungen seien aber nicht nur wegen der Gebärdensprache eine anspruchsvolle Aufgabe, sind sich die beiden Pastorinnen einig. Denn Menschen, die nicht über die Lautsprache verfügen, ticken in der Regel auch anders. „Gehörlose denken sehr stark in Bildern“, erklärt Andrea Haase, und Christiane Neukirch ergänzt: „Man muss es immer ganz konkret machen.“ Also eine einfache Sprache finden, viel mit Beispielen arbeiten. Um Glaubensinhalte vermitteln zu können, müssen die Pastorinnen gleich doppelt dolmetschen. Mit Gebärden. Und mit veränderten Inhalten, die klar und unmissverständlich sind.
„Wir haben bisher nur exklusiv gearbeitet“, stellt Christiane Neukirch fest. Innerhalb der evangelischen Landeskirche will sie das Stück für Stück ändern. Der erste Schritt in Richtung Inklusion sei es, mehr Menschen in der Gebärdensprache auszubilden. Christiane Neukirch: „Viel mehr Pastoren müssen Gebärden-kompetent sein, auch in der Fläche.“ Und dann gehe es „auch darum, uns immer mehr in die hörende Kirche hinein zu vernetzen.“ Gemeinsam Gottesdienst zu feiern, sei für beide Seiten eine Bereicherung, weil der Kontakt mit Gehörlosen „ein körperliches Bewusstsein für Sprache einbringt“, so Christiane Neukirch. Nach 20 Jahren gebärdensprachlicher Seelsorge sprüht sie immer noch vor Begeisterung, wenn sie über das Thema spricht: „Das ist total beflügelnd.“
Einmal im Monat, in der Regel am dritten Sonntag um 14.30 Uhr, findet in der Taufkapelle der Hildesheimer St.-Andreas-Kirche ein Gottesdienst für hörgeschädigte Menschen statt. Er dauert eine halbe bis dreiviertel Stunde. Lesungen, Gebete und Predigt werden durchweg gebärdet. Auch die Lieder: Die Pastorin zeigt die Gebärden, die Gemeinde macht mit. Anschließend gibt es noch ein langes, sehr lebhaftes Kaffeetrinken. „Da unterhalten sich die Teilnehmer nicht nur mit ihrem Nachbarn, sondern über drei Meter Abstand quer über den Tisch“, erzählt Andrea Haase von der besonderen Atmosphäre.
Der nächste Gehörlosen-Gottesdienst ist am 24. April um 14.30 Uhr in St. Andreas. Darin wird Christiane Neukirch offiziell aus Hildesheim verabschiedet und Andrea Haase als ihre Nachfolgerin eingeführt. Es sei nicht leicht gewesen, die Arbeit in der Dreikirchengemeinde und Adensen aufzugeben, sagt Andrea Haase. Zugleich freue sie sich aber über die neue Herausforderung in einer besonderen Gemeinde: „Es ist eine sinnvolle Arbeit. Sie sollen spüren, dass ich sie wertschätze.“ Ralf Neite
Bild:
In der gebärdensprachliche Seelsorge übernimmt Andrea Haase aus Burgstemmen (links) in Hildesheim den Stab von Christiane Neukirch.
Hildesheim/Burgstemmen. Jeder tausendste Mensch ist gehörlos, statistisch gesehen. Für sie – und für alle, die nur sehr wenig hören können – hat die evangelische Landeskirche Hannovers die gebärdensprachliche Seelsorge eingerichtet. In der Stadt und er Region Hildesheim gibt es eine lebendige Gehörlosenszene mit verschiedensten Gruppen, Vereinen und auch einer Gemeinde. 16 Jahre lang betreute sie Pastorin Christiane Neukirch aus Hannover neben sieben weiteren Gebärdengemeinden von Göttingen bis Stade. Nun will sie sich auf stärker auf ihre Aufgaben in der Landeskirche konzentrieren und gibt den Stab an Andrea Haase weiter.
Für Andrea Haase, die sich seit dem Jahr 2000 mit ihrem Mann Bernd Ulrich Rüter eine Selle in der Dreikirchen-Gemeinde Burgstemmen-Mahlerten-Heyersum und in St. Dionysius Adensen geteilt hat, bedeutet der Wechsel einen fast kompletten Neustart. Fast, denn vor 20 Jahren hat sie ein Sondervikariat in der Gehörlosen-Seelsorge (so der damalige Name) absolviert. Dennoch muss Andrea Haase noch einmal von vorne anfangen. Das heißt nicht zuletzt: die Gebärdensprache erlernen. „Vieles verstehe ich einfach noch nicht“, räumt die 53-Jährige ein. Aber sie finde vor allem bei den älteren Gemeindemitgliedern eine große Hilfsbereitschaft und Geduld. Bei jeder Gelegenheit lerne sie neue Gebärden. „Sie sind sehr motivierend“, freut sich Andrea Haase.
Zu ihrem Job gehört auch – wie schon bei Christiane Neukirch – der Religionsunterricht im Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte. Eine ganz neue Erfahrung, so Andrea Haase: „Wenn man an die Tafel schreibt, ist es hinter einem meistens ruhig. Aber das heißt nicht, dass nicht gequasselt wird.“ Die Lehrerin bekommt davon nichts mit, weil ja lautlos mit den Händen geredet wird.
Unterricht und Seelsorge für Menschen mit Hörschädigungen seien aber nicht nur wegen der Gebärdensprache eine anspruchsvolle Aufgabe, sind sich die beiden Pastorinnen einig. Denn Menschen, die nicht über die Lautsprache verfügen, ticken in der Regel auch anders. „Gehörlose denken sehr stark in Bildern“, erklärt Andrea Haase, und Christiane Neukirch ergänzt: „Man muss es immer ganz konkret machen.“ Also eine einfache Sprache finden, viel mit Beispielen arbeiten. Um Glaubensinhalte vermitteln zu können, müssen die Pastorinnen gleich doppelt dolmetschen. Mit Gebärden. Und mit veränderten Inhalten, die klar und unmissverständlich sind.
„Wir haben bisher nur exklusiv gearbeitet“, stellt Christiane Neukirch fest. Innerhalb der evangelischen Landeskirche will sie das Stück für Stück ändern. Der erste Schritt in Richtung Inklusion sei es, mehr Menschen in der Gebärdensprache auszubilden. Christiane Neukirch: „Viel mehr Pastoren müssen Gebärden-kompetent sein, auch in der Fläche.“ Und dann gehe es „auch darum, uns immer mehr in die hörende Kirche hinein zu vernetzen.“ Gemeinsam Gottesdienst zu feiern, sei für beide Seiten eine Bereicherung, weil der Kontakt mit Gehörlosen „ein körperliches Bewusstsein für Sprache einbringt“, so Christiane Neukirch. Nach 20 Jahren gebärdensprachlicher Seelsorge sprüht sie immer noch vor Begeisterung, wenn sie über das Thema spricht: „Das ist total beflügelnd.“
Einmal im Monat, in der Regel am dritten Sonntag um 14.30 Uhr, findet in der Taufkapelle der Hildesheimer St.-Andreas-Kirche ein Gottesdienst für hörgeschädigte Menschen statt. Er dauert eine halbe bis dreiviertel Stunde. Lesungen, Gebete und Predigt werden durchweg gebärdet. Auch die Lieder: Die Pastorin zeigt die Gebärden, die Gemeinde macht mit. Anschließend gibt es noch ein langes, sehr lebhaftes Kaffeetrinken. „Da unterhalten sich die Teilnehmer nicht nur mit ihrem Nachbarn, sondern über drei Meter Abstand quer über den Tisch“, erzählt Andrea Haase von der besonderen Atmosphäre.
Der nächste Gehörlosen-Gottesdienst ist am 24. April um 14.30 Uhr in St. Andreas. Darin wird Christiane Neukirch offiziell aus Hildesheim verabschiedet und Andrea Haase als ihre Nachfolgerin eingeführt. Es sei nicht leicht gewesen, die Arbeit in der Dreikirchengemeinde und Adensen aufzugeben, sagt Andrea Haase. Zugleich freue sie sich aber über die neue Herausforderung in einer besonderen Gemeinde: „Es ist eine sinnvolle Arbeit. Sie sollen spüren, dass ich sie wertschätze.“ Ralf Neite
Bild:
In der gebärdensprachliche Seelsorge übernimmt Andrea Haase aus Burgstemmen (links) in Hildesheim den Stab von Christiane Neukirch.