Mehr Ruhe für die Welt von morgen

Sun, 22 Oct 2017 10:59:42 +0000 von Ralf Neite

Die 14-jährige Clara Gockel gewinnt den Redewettbewerb „Sprich-Worte“ im Literaturhaus St. Jakobi

Hildesheim. Eine Gesellschaft, die die Idee von Geschlecht aufgegeben hat, mehr Gemeinschaft, mehr Ruhe – und die Schuhstraße als Einbahnstraße. Diese und andere Visionen für die Welt von morgen präsentierten die FinalistInnen des Redewettbewerbs „Sprich Worte!“ am Freitagabend im Literaturhaus St. Jakobi.

Auf die Beine gestellt haben das Projekt der Intendant des Literaturhauses, Dirk Brall, und Peter Noß-Kolbe, der evangelische Schulbeauftragte in der Region. Er führt als Moderator durch den Abend. Ausgehend von Luthers Ausspruch „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders“, haben die Initiatoren anlässlich des Reformationsjubiläums SchülerInnen ab der neunten Klasse dazu aufgerufen, in etwa fünfminütigen Reden zu formulieren, wofür sie selbst stehen. In was für einer Welt möchten sie leben? Was ist ihnen in ihrer Stadt wichtig?

Aus 68 eingereichten Beiträgen wurden die sieben stärksten ausgewählt und im Finale vor einem begeisterten Publikum präsentiert – und vor der Jury, bestehend aus Superintendent Mirko Peisert, TfN-Chefdramaturgin Astrid Reibstein, Literaturhaus-Projektmanagerin Sarah Patzak und Universitätsprofessor Dr. Christian Schärf, an diesem Abend krankheitsbedibgt vertreten durch seinen Kollegen Dr. Volker Wortmann.

Mit Leidenschaft legen die SchülerInnen zwischen 13 und 27 Jahren vor 150 ZuhörerInnen ihre Gedanken dar. Die Themen sind vielfältig, reichen von konkreten Verbesserungsvorschlägen bis hin zu philosophischen Denkanstößen. „Wir sind dafür, dass in der Schule das Fach „Lebenskunde“ eingeführt wird“, erklären Alina Schulz (14), Hannah Götze (16) und Johanna Fänger (14) vom Josephinum und liefern Argumente für mehr Praxis im Schulunterricht.

Inspiration für eine umweltfreundlichere Verkehrspolitik in Hildesheim gibt die 13-jährige Lenya Kitter-Ohlms, die in ihrem gemeinsam mit Svenja Meyer (14) verfassten Beitrag die Umwandlung der Schuhstraße in eine Einbahnstraße und eine autofreie Innenstadt fordert.

Doch die Jugendlichen denken auch über Hildesheim und den Schulkosmos hinaus: So ruft Luc Wömpner (19) von der Friedrich-List-Schule zu mehr gesellschaftlicher Verantwortung auf. Johanna Lies (18) vom Andreanum schildert in einer sehr persönlichen Rede, warum „Gemeinschaft“ das wichtigste für sie ist. Und Fanny Sommerfeld tritt ausdrucksstark für mehr „Selbstverständlichkeit“ in der Gleichberechtigung der Frau ein. Mit ihrem engagierten Vortrag sichert die 16-Jährige sich den dritten Platz und fährt damit für ihre Klasse am Andreanum ein Preisgeld von 500 Euro ein. Den zweiten Platz und damit 750 Euro ergattert Inga Obersheimer (27) von der Elisabeth-von-Rantzau-Schule mit ihrem rasanten netzkritischen Beitrag „#freiheitgefiltert“.

Für die stärkste Rede des Abends sorgt die 14-jährige Clara Gockel. Die Schülerin vom Andreanum plädiert eindringlich für eine gesellschaftliche Entschleunigung. „Einfach mal dasitzen und nichts tun. Darf ich das?“, fragt sie – und kann sich schließlich über den ersten, mit 1000 Euro dotierten Platz freuen. Ihre Rede sei „einfach rund“ gewesen, erklärt Sarah Patzak. Überzeugt hätten die lebensnahen Beispiele und vor allem, dass „das was gedacht wurde, auch auf der Bühne gelebt wurde“. Das Publikum klatscht begeistert.

Zum Schluss geht an diesem Abend aber niemand mit leeren Händen nach Hause. Auch die vier Viertplatzierten erhalten je 200 Euro für die Klassenkasse. Und TfN-Chefdramaturgin Astrid Reibstein freut sich: „Wir können hoffnungsfroh in die Zukunft blicken. Denn wir haben in diesem Wettbewerb gesehen, dass es viele tolle junge Menschen gibt, die sich mit Verve für eine Sache einsetzen.“ Unterdessen zeichnet sich ab, dass „Sprich-Worte“ Nachfolger finden wird. Mehrere Kirchenkreise haben bereits angefragt, ob sie das Format kopieren können. Janina Martens

Bild:

Zum Abschluss durfte Gewinnerin Clara Gockel, umgeben von Jurymitgliedern und den anderen TeilnehmerInnen des Finales ihre Rede über die Entschleunigung des Alltags noch einmal halten.
Quelle: Janina Martens
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