Der Gemeindesaal wird zur Manege

Mon, 02 May 2016 08:55:35 +0000 von Ralf Neite

Höhepunkt einer Projektwoche mit dem Zirkus MiMa in der Nordstadt

Hildesheim. Der Gemeindesaal platzt aus allen Nähten. Vor der Bühne hockt eine Horde von GrundschülerInnen, dahinter haben ihre schwatzenden Eltern und Großeltern Platz genommen. In den hinteren Reihen hat man noch eilig ein paar Bierbänke aufgestellt. Jugendliche im Clownskostüm stromern durch den Eingangsbereich. Einige Menschen werden im Rollstuhl herein geschoben und recken die Hälse. Jetzt kann's losgehen.

Wobei: Nicht ganz. Erst einmal muss Katrin Bode den rund hundert Zuschauern mitteilen, warum man sich überhaupt im Gemeindesaal zusammenfindet. Schließlich war geplant, dass der Zirkus MiMa sein großes Zelt im Garten der evangelischen Martin-Luther-Gemeinde aufschlägt. Aber die unsichere Wetterlage habe nicht mitgespielt, erklärt die Diakonin.

Der Zirkusstimmung an diesem Freitagnachmittag tut das fehlende Zelt keinen Abbruch. Zauberer, Artisten, Clowns und wilde Tiere treten beim Kinder- und Jugendzirkus MiMa auf. Und so wird das Gemeindehaus bald zur Manege. Etwa, wenn die „akrobatischen Tiger“ Zirkusnummern zwischen Menschenpyramide und Purzelbaum vorführen. Seiltänzerinnen und Seiltänzer zeigen gewagte Balanceakte, Zauberer führen atemberaubende Tricks vor. Und Grundschullehrerin Petra Wagener treibt als Clown Peppo ihre Späße.

Durch die wilde Show führt Jacqueline Koch mit starker Stimme und kleinem Zylinder. Die Auszubildende zur Heilerziehungspflegerin hat eine Woche lang mit dem Zirkus MiMa im Gemeindehaus geturnt und geprobt. Das inklusive Zirkusprojekt bringt Kinder einer zweiten Klasse der Ganztagsgrundschule Nord, Beschäftigte der Werkstätten der Lebenshilfe und natürlich Jugendliche, die im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt aktiv sind, zusammen. So arbeiten an diesem Nachmittag 55 Zirkusleute vor und hinter dem Vorhang. Und alles geht Hand in Hand.

Für Jaqueline Koch und die acht anderen angehenden HeilerziehungspflegerInnen war die inklusive Projektwoche ein besonderes Erlebnis. „Bemerkenswert war, wie vorurteilsfrei und offen die Kinder mit unseren Klienten umgegangen sind“, betont Jacqueline Koch. Und ihre Kollegin Lawa Ali fügt hinzu, dass auch die verschiedensten Kulturkreise und Migrationshintergründe sich beim Zirkusspielen ganz selbstverständlich näher gekommen seien. Selbst Flüchtlingskinder, die erst seit kurzem in Deutschland leben, konnten bei MiMa ihre Talente unter Beweis stellen. Ganz ohne Sprachbarrieren.

Den Kinder- und Jugendzirkus MiMa gibt es bereits seit 1987. MiMa, das steht für Mitmachen. Der Zirkus veranstaltet Ferienfreizeiten, im Sommer tourt man mit Fahrrad und Packwagen durch unterschiedliche Regionen Niedersachsens, außerdem werden Projektwochen in Jugendzentren, Schulen und Kirchengemeinden organisiert. Das Projekt wird vom Kirchenkreisjugenddienst Hildesheim-Sarstedt getragen.

Treibende Kraft und „Oberzirkusdirektor“ ist Kirchenkreisjugenddiakon Dietrich Waltemate, der auch an diesem Nachmittag mit leuchtenden Augen Zaubertricks vorbereitet, Clownsnasen verteilt und Akrobaten aufmuntert. Und das mit einer Ruhe, die ihn noch im größten Trubel den Überblick behalten lässt. Nach eigener Aussage ist Waltemate der älteste Jugenddiakon in ganz Deutschland, aber die Begeisterung für den Zirkus hält eben jung. „Wenn man in dieser Woche gesehen hat, wie die Kinder sich ausprobieren und bewegen konnten, wie jeder mit seinen Talenten etwas Überraschendes einbringen kann, das ist doch toll!“ strahlt Waltemate.

„Ein solches Projekt passt natürlich wunderbar in die Hildesheimer Nordstadt“, findet auch Frank Auracher von der Stadtteilinitiative Nordstadt.Mehr.Wert,. „Die Menschen hier sind es gewohnt, ganz unterschiedliche Barrieren zu überwinden, kulturelle und sprachliche, zum Beispiel.“ Viele Kinder erlebten darüber hinaus auch in der eigenen Familie, dass Menschen mit psychischen Handicaps einfach dazugehörten. Das Zirkusspielen könne diese Erfahrung noch einmal verstärken, so Auracher: „Man darf in neue Rollen schlüpfen und kann sich mal in andere Schuhe stellen.“ Auracher seufzt und zieht zufrieden die Clownshose aus: „Ein schöner Zirkus.“ Maximilian Balzer
Quelle: Balzer
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