Musikalische Heimatkunde

Tue, 13 Jun 2017 10:25:01 +0000 von Ralf Neite

Kirchenkreis bringt Chöre im Alfelder Fagus-Werk auf den Königsweg

Alfeld. Ist denn heut‘ schon Weihnachten? Es klingt zumindest danach, im Fagus-Werk bei Alfeld. „Fröhlich soll mein Herze springen“ ist zu hören, ein Choral von Paul Gerhardt. Die Stimmung ist trotzdem eher sommerlich. Das liegt vor allem an Christopher Pannek. Der Kantor mit dem sonnigen Gemüt steht in der Fabrikhalle und dirigiert in alle Richtungen. Vor ihm stehen Sängerinnen und Sänger, hinter ihm stehen Zuhörerinnen und Zuhörer, die er im Handumdrehen zu TeilnehmerInnen gemacht hat. „Weltkultur verbindet“ eben.

Es ist das Motto an diesem Tag. Chöre aus Alfeld, Bockenem, Burgstemmen, Duingen, Nordstemmen, Hoyershausen, Diekholzen, Bad Salzdetfurth, Gronau, Elze, Hohenhameln und Langenhagen schlossen sich zusammen, um als „Chöre auf dem Königsweg“ den Sonntag zu gestalten. „Wir pflegen das Liedgut, die Heimat, die Wahrnehmung, dass es sich lohnt, hier zu leben“, strahlt Thomas Dahms – Kulturlandschaftsforscher, Moderator und Organisator.

Die musikalische Heimatkunde ist Teil des Luther-Jahres. Denn Martin Luther war leidenschaftlicher und begnadeter Sänger, der um die Macht der Musik wusste. „Melodien prägen sich leicht ein, Noten machen einen Text lebendig“, findet auch Superintendentin Katharina Henking. 1529 gab Luther sein erstes muttersprachliches Gesangbuch heraus. „Deswegen war die Reformation auch eine Singbewegung.“ Und die Reformation sowie das Christentum sind Weltkultur, finden Dr. Dahms und Kantor Pannek. Deswegen lassen sie die Menschen im Weltkulturerbe gemeinschaftlich singen.

„Ein feste Burg ist unser Gott“ oder „Geh aus, mein Herz“, ein zur Jahreszeit passendes Lied, stehen auf dem Programm. Liederzettel liegen auf allen Stühlen, so dass jeder Gast ein Chormitglied ist. „Wir sind von Seiten der Chöre voll besetzt“, freut sich Dahms. Mehr durfte die Feuerwehr nicht zulassen. Sowohl Laien- als auch Kirchenchöre haben sich den „Chören auf dem Königsweg“ angeschlossen. Veranstalter sind die Kirchengemeinden und der Förderverein des Fagus-Werks.

Seit 2011 ist die Fabrikanlage UNESCO-Weltkulturerbe. Nirgendwo sonst gibt es so viele solcher Stätten wie in Deutschland. „Damit sind wir Teil der Weltkultur“, findet Dahms. Weltkultur, das sei etwas, dass der Mensch geschaffen habe, überlegt der Wissenschaftler weiter. In den vergangenen 500 Jahren war dafür Hoch-Zeit in Europa, erinnert er. Von Luther bis Columbus, von Gauß bis Humboldt, um nur einige zu nennen. Aber auch in der Region gab es Pioniere, Wagemutige, Avantgardisten. Werksgründer Carl Benscheidt und seinen Weggefährten Walter Gropius, zum Beispiel.

„Benscheidt war sicher ein Patriarch im Sinne des 19. Jahrhundert“, betont Dahms. „Aber für ihn zählte trotzdem der Mensch, das war entscheidender Aspekt seiner Arbeitsmoral und Firmenphilosophie.“ Mit pointierten Impulsvorträgen spinnt Dahms einen roten Faden durch das Programm und verbindet so die Form mit dem Inhalt, das Chorsingen mit dem Fagus-Werk. Denn auch im Chor zählt jeder Mensch, für den Stimmumfang, für das große Ganze, für das Gelingen. Björn Stöckemann
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