Gesprächsrunde führt von der Stadtteilplanung bis zu persönlichen Glaubensfragen
Hildesheim. Nach ungefähr einer Stunde wird aus der Diskussion über die Entwicklung der Hildesheimer Neustadt unversehens ein persönliches Gespräch über den Glauben. Das geschieht in einem Laden, der mitten im Neustadt-Quartier liegt. Dort ist die Kulturwissenschaftlerin Nele Gittermann kurz nach Ostern mit dem Projekt Pop-Up-Kirche in ein leeres Ladengeschäft eingezogen. „Wir wollen mitten im Alltag der Menschen einen Ort anbieten, an dem man sich treffen kann, Gesprächsreihen erlebt, Konzerte hört oder auch mal Sorgen los werden kann,“ sagt die engagierte Leiterin des Projektes, das vom Ev.-luth. Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt getragen wird.
Im gedanklichen Windschatten von Ostern bestimmt dabei das Thema „Aufbruch“ die Angebote dieses kirchlichen Kommunikationsprojektes. Dazu gehören auch vier thematische Stammtische. Am dritten Abend geht es nun um Aufbrüche und Neuanfänge in Hildesheims Neustadt. Dazu sitzen kompetente Akteure der lebendigen Entwicklung dieses besonderen Stadtquartiers am Tisch. Henner Lenfers, eine der treibenden Kräfte der seit 2012 arbeitenden Initiative Neustadt, berichtet umfassend von den Planungen, wie Schritt für Schritt aus Verkehrsräumen menschenfreundliche Lebensräume werden sollen. Marc Baumann stellt das christlich geprägte Kinder- und Jugendzentrum Go20 vor. Cihan Sögüt vom Café Black Apron ist ebenfalls dabei. „Ich habe ihn eingeladen, weil das gastronomische Konzept der Familie Sögüt der Neustadt ein besonderes offenes und globales Flair bringt“, erklärt Nele Gittermann.
Sehr bald kommen die Experten mit den Zuhörenden zu einem intensiven Gedankenaustausch. Dabei kommt es auch zu neuen Begegnungen. So denkt eine Vertreterin des Kunstvereins gemeinsam mit Henner Lenfers darüber nach, wie man das früher beliebte Familienfrühstück am Kehrwiederturm wieder beleben könnte. Geschickt moderierend fragt Nele Gittermann, ob ein Projekt wie die Pop-Up-Kirche für den Entwicklungsprozess des Neustadt-Quartiers sinnvoll sein kann. Schnell entwickelt sich eine intensive Aussprache über die gesellschaftliche Relevanz von Kirche für die Gesellschaft, aber auch für das persönliche Leben.
Dabei kommen höchst unterschiedliche Einstellungen zur Sprache. „Mir bedeutet Kirche als Institution heute gar nichts mehr. Sie hat mir aber in der Kindheit wesentliche Werte vermittelt, die mich bis heute leiten“, ist eine der Meinungen am Tisch. „Je älter wir werden, desto klarer wird meiner Frau und mir die Bedeutung mancher Bibelworte. Die Lambertikirche und das Quartier drum herum sind für uns zur Heimat geworden“, ist eine andere Sicht. Einhellig ist man der Meinung, dass Räume, wie die Pop-Up-Kirche erfolgreich für das Gemeinwesen sein können, wenn es für die Menschen wichtige Angebote gibt. „Relevanz geht über menschliche Beziehung“, ist sich Henner Lenfers sicher. Das Gespräch ist von Respekt und Wertschätzung der unterschiedlichen Meinungen geprägt. So entsteht eine dichte und freie Gesprächsatmosphäre, in der auch Raum für persönliche Erzählungen über den eigenen Glauben ist.
Wenn das Projekt Pop-Up-Kirche in der Neustadt endet, sollen andere neue Formate für Kirche inmitten der Gesellschaft folgen, kündigt Nele Gittermann an. Dieser Stammtisch ist dafür schon ein gelungenes Beispiel.
Der letzte Gesprächsabend dieser Reihe ist am Donnerstag, dem 23. Mai, um 19 Uhr. Da heißt es „Aufbrüche in Umwelt und Landwirtschaft“. Gäste sind Ottmar von Holtz (Bundestagsabgeordneter Grüne), Detlef Ramisch (Greenpeace), Professor Christian Visscher (TiHo Hannover). Die Moderation hat die Bildungskoordinatorin Michaela Grön.