Ein Gefühl fast wie Weihnachten

Thu, 04 Aug 2016 16:19:32 +0000 von Ralf Neite

Einschulungsgottesdienste gewinnen immer mehr an Bedeutung – „echte Familienevents“

Landkreise Hildesheim und Hameln-Pyrmont. Taufe, Konfirmation, Hochzeit: Das sind große Feste im Leben, die die Kirche traditionell mit feierlichen Gottesdiensten begleitet. In den zurückliegenden Jahren hat ein weiterer Wendepunkt immer mehr an Bedeutung gewonnen: die Einschulung. Bevor es am ersten Schultag in die Klasse geht, wird allerorts ein Gottesdienst gefeiert. Und ob in der Kirche, in einer Aula oder Turnhalle, zu diesem Anlass sind die Reihen bis auf den letzten Platz besetzt. Christian Castel, Superintendent im evangelischen Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld, beschreibt es so: „Das ist ein Gefühl fast wie Weihnachten.“

Neu sind die Gottesdienste zum Schulstart freilich nicht. „Ich bin vor über 50 Jahren eingeschult worden, und das ging auch bei uns schon in der Kirche los“, erinnert sich Christian Castel. Damals allerdings waren außer den Kindern nur die Eltern und allenfalls noch die Großeltern dabei. Heute sieht das anders aus. „Es sind echte Familienevents geworden“, hat Christian Castel beobachtet, „das sind mit die best besuchten Gottesdienste, die wir in unseren Kirchen haben.“

Es ist ein interessanter Trend in einer Zeit, in der die Mitgliederzahlen der christlichen Kirchen sinken und die normalen Sonntagsgottesdienste oft eher spärlich besucht sind. „Das ist natürlich ein typischer Übergangsritus“, erklärt Christian Castel das Phänomen. Er habe den Eindruck, dass es vielen Familien wichtig sei, diesen wichtigen Schritt ihres Kindes ganz bewusst mitzugehen. Für die Eltern komme das Gefühl hinzu, einen Teil ihrer Verantwortung abgeben zu müssen. Die neue Klassengemeinschaft, ungewohnte Herausforderungen, Noten und Leistungsdruck: All das müssen die Kinder nun weitgehend alleine meistern. Umso mehr wünschten sich viele Menschen „eine Unterstützung von oben“, sagt Christian Castel.

Ihm persönlich bereite es immer eine besonders große Freude, einen Einschulungsgottesdienst zu leiten. Die Offenheit der Menschen sei besonders groß, es werde intensiv zugehört. Am wichtigsten sei zweifellos der Moment, wenn die Kinder nach vorne kommen, um für den neuen Lebensabschnitt gesegnet zu werden. Übrigens würden die Gottesdienste nicht nur von den Angehörigen besucht. Viele Lehrer und Lehrerinnen kämen ebenfalls, auch wenn sie nicht selbst die Leitung einer ersten Klasse übernähmen. Über die Einschulungen hinaus bietet der Kirchenkreis in diesem Jahr erstmals auch spezielle Gottesdienste für Lehrkräfte aller Schulformen und Fächer in Elze und Alfeld an.

Es ist bereits absehbar, dass die relativ junge Tradition der Einschulungsgottesdienste in den nächsten Jahren einen weiteren Wandel erleben wird. Der Anteil muslimischer Kinder steigt – wenn auch in ländlichen Gemeinden weniger schnell als in größeren Städten. Derzeit werden die Gottesdienste in der Regel ökumenisch gefeiert. Muslimische Familien seien willkommen, aber es handele sich eindeutig um christliche Feiern, so Christian Castel. Für die Zukunft müsse man neue Formen entwickeln, die Menschen verschiedener Religionen ein Miteinander ermöglichen, ohne ihre jeweiligen Eigenheiten preiszugeben.

Dazu passt ein kleines Geschenk, das die SchulanfängerInnen in diesem Jahr von Landesbischof Ralf Meister erhalten. In knapp 600 Kirchengemeinden der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers bekommen Kinder im Schulanfänger-Gottesdienst Ferngläser und eine begleitende Broschüre. Auf den Falt-Ferngläsern ist eine Erdkugel mit Kindern verschiedener Nationalitäten abgebildet. Meister „Das Fernglas motiviert, andere Menschen besser wahrzunehmen und sie in ihrem Anderssein zu sehen und zu respektieren. In solcher Annäherung liegt eine große Chance für die Schulgemeinschaft. Wer bin ich – wer bist du? Wie gehen wir gut miteinander um?“ Ralf Neite

Bild:

Christian Castel sieht die Einschulungsgottesdienste als typischen Übergangsritus. Foto: Neite
Quelle: Neite
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