Ein Freund – 64 Jahre alt wie ich – berichtet vom Adventsliedersingen in der Kirchengemeinde. Er sieht um sich herum vorwiegend ältere Damen. Nichts gegen ältere Damen. Sie sind bemerkenswert textsicher und singen gern mit. Zum Beispiel das Lied „In der Weihnachtsbäckerei“. Nun ist Rolf Zuckowski nicht Johann Sebastian Bach. Zum Weihnachtsoratorium gibt es mehr als graduelle Unterschiede. Aber für viele Menschen ist es das „Jauchzet, frohlocket“ ihrer Frömmigkeit und ihres Lebensgefühls.
Dann schreibt mein Freund einen Satz, der mich wirklich beunruhigt: „Es liegt schon ein eiskalter Hauch des Abschieds über allem unserem kirchlichen Tun.“ Er hat also nicht nur den Gesang, sondern auch einen Abgesang gehört. Ich habe zunächst geantwortet, dass die Besucherzahl des Adventsliedersingens seit Jahren konstant hoch ist und dass die älteren Damen von 2019 andere sind, als die älteren Damen von 2009 oder 1999. Und dass womöglich etwas dran ist, dass erst mit dem Alter der Psalter kommt.
Ich hätte ausführlicher antworten sollen. Ich hätte ihm schreiben sollen, dass „In der Weihnachtsbäckerei“ gleich nach „Macht hoch die Tür“ und „O du fröhliche“ durchaus seinen berechtigten Platz hat und dass jede noch so kleine Dosis Hoffnung mit Gottes Hilfe schon ihre Wirkung tut. Selbst dann, wenn wir sie kaum messen können. Und dass wahrscheinlich die Verkündigungsengel mit ihrem „Fürchtet euch nicht!“ auch zu Leuten gesprochen haben, die keine Erwartung mehr hatten. Die überall den eiskalten Hauch des Abschieds von bewährten Traditionen gesehen haben. Und dass diese Menschen ohne Wundererwartung genau jenen aberwitzigen und unerklärlichen Satz „Fürchtet euch nicht!“ gebraucht haben. Und dass die Hirten auf dem Felde bei den Hürden die ersten waren, die zwischen Warten, Zweifeln und Nichtstun auf der einen und Erwarten, Glauben und Mithelfen auf der anderen Seite zu unterscheiden lernten.
Da kommt doch kein Mensch drauf, dass Gott selbst Mensch wird. Und dass niemand, wirklich niemand sich verlassen fühlen muss. Weder in der Weihnachtsbäckerei noch im Weihnachtsoratorium, weder im festen Haus noch auf der Straße oder auf dem Meer.
Vielleicht liest mein Freund diese Zeilen ja.
Oder Sie.
Also: Fürchtet euch nicht!
Und frohe Weihnachten!
Landessuperintendent Eckhard Gorka
Sprengel Hildesheim-Göttingen