Kunstobjekte von Winfried Baumann rücken Wohnungslose in den Blick
Hildesheim. Obdachlose als Zielgruppe einer ganzen Produktpalette, Notunterkünfte als Statussymbol – die Idee macht stutzig, irritiert. Kann man Wohnungslosen eine Art Käfig als Übergangsquartier zumuten? Gibt es Menschen, die ihren minimalen Wohnraum als transportablen Container hinter sich herziehen möchten? Die Irritation ist selbstverständlich gewollt. Winfried Baumann, der diese Produktpalette speziell für Urbane Nomaden erdacht hat, sieht sich zuerst als Künstler. „Aber ich will mich einmischen. Es ist politische Kunst, ich beschäftige mich mit Themen des Alltags.“
Zu sehen gab es diese Kunst am Wochenende in Hildesheim. Die Diakonie Himmelsthür mit ihren Tochterunternehmen Herberge zur Heimat Himmelsthür, proWerkstätten Himmelsthür und Kinder- und Jugendbereich sowie das Projekt Nordstadt.Mehr.Wert der Lebenshilfe hatten Winfried Baumann eingeladen. Er passt perfekt in ihren Beitrag zum 1200-jährigen Jubiläum Hildesheims. Denn unter dem Titel „1200 Hildesheimer Gestalten“ wollen die Projektpartner Randgruppen in den Blick rücken.
Das ist auch Ziel des Künstlers Winfried Baumann, der mit seinen Kunstobjekten einen neuen Blick auf Urbane Nomaden ermöglicht oder sie überhaupt erst sichtbar macht. Kunst könne keine Probleme lösen, betont Winfried Baumann: „Es ist die Aufgabe der Kunst, Fragen zu stellen. Fragen zu beantworten, ist die Aufgabe von uns allen.“ Die dürfe auch nicht auf soziale Einrichtungen und Politiker abgewälzt werden.
Die Objekte des Künstlers sind aber nicht nur zum Angucken da, sie sind praktisch anwendbar und durchdacht, funktional und formschön. Vor der Herberge zur Heimat in der Gartenstraße hatte einer seiner mobilen Kleinküchen Halt gemacht: Eine Kochstation im Container-Format, die sich überall aufstellen lässt, wo Menschen Hunger bekommen. Herbergsleiterin Daniela Knoop und Praktikantin Verena Scheel verteilten Wok-Gemüse und Reis an die Gäste der Kooperationspartner und die Bewohner der Herberge zur Heimat.
16 Männer haben dort eine Unterkunft auf Zeit gefunden, einer von ihnen ist Patric Dauert. Er hat schon beim Aufbau geholfen, denn ihm gefällt das außergewöhnliche Projekt. Endlich gehe es dabei mal um die Lebenssituation der Wohnungslosen, „meist ist das den Leuten doch scheißegal.“
450 Menschen seien regelmäßige Gäste im Tagesaufenthalt der Herberge in der Hannoverschen Straße, sagt Judith Hoffmann, Geschäftsführerin der Herberge zu Heimat. Einige haben inzwischen eine Wohnung, legen aber immer noch wert auf den Kontakt. Andere leben in den Obdachlosenunterkünften, manche wollen auch gar keine feste Bleibe, sondern lieber „Platte machen“.
Doch selbst diejenigen, die am liebsten unter freiem Himmel schlafen, zwingt die Witterung manchmal unter ein festes Dach. Winfried Baumanns Notbetten aus seiner Instant-Housing-Reihe könnten das bieten: Schicke Container, die sich ziehen lassen wie ein Rollenkoffer. Unterwegs finden der Schlafsack und ein paar Habseligkeiten darin Platz. Zum Schlafen kann man eine Liege herausziehen und ein Zeltdach aufklappen, fertig ist die regenfeste Unterkunft – eine Alternative zum Pappkarton, wie Winfried Baumann sagt. Die verschiedenen Modelle konnten die Hildesheimer auf der Lilie besichtigen.
Aus einem weiteren Teil der Ausstellung des Künstlers wurde allerdings nichts: Statt des warmen Fußbades gab es eine kalte Dusche. 20 Plätze hatten Stefanie Kreuzkam, Telke Heuer und Louise Eichele von der Cluster Sozialagentur auf der Lilie aufgebaut, um den gestressten Füßen der städtischen Asphalt-Nomaden ein erholsames Bad in warmem, duftendem Wasser zu gönnen.
Das sollte nicht nur der Körperpflege dienen, sondern auch ein Zeichen von Hinwendung und Wertschätzung sein und Gespräche in Gang bringen, erklärte Frank Auracher vom Projekt Nordstadt.Mehr.Wert. Winfried Baumann hat für solche Aktionen kompakte Waschkombinationen entwickelt, komplett mit Handtuch und Badesalz. Doch das ungemütliche Regenwetter fegt die Lilie von Passanten leer.
Schönes Wetter und Gespräche gab es dagegen am Abend zuvor vor dem Theater für Niedersachsen. Dort weckten die Cagemen das Interesse von Theater- und Kinogängern: Stapelbare, vergitterte Kästen, in denen gerade genug Platz ist für einen Menschen und sein Gepäck. Ein geschützter Raum ohne jede Privatsphäre, der zu Fragen herausfordert. Drei derzeitige Bewohner der Herberge zur Heimat rollten als Cagemen ihre Decken aus und blieben über Nacht. Wiebke Barth
Bilder:
An der mobilen Küche gibt es beim Instant Cooking Wok-Gemüse und Reis: (Von links) Judith Hoffmann, Patric Dauert, Winfried Baumann, Miriam Raabe, Frank Auracher, Verena Scheel und Daniela Knoop.
Künstler Winfried Baumann (links) plaudert beim Instant Cooking mit Patric Dauert.
Wer Campingurlaub gewöhnt sei, komme auch mit der Liege im Container gut zurecht, meint Judith Hoffmann, Regionalgeschäftsführerin der Diakonie Himmelsthür. Miriam Raabe, Daniela Knoop und Frank Auracher gucken lieber nur.
Hildesheim. Obdachlose als Zielgruppe einer ganzen Produktpalette, Notunterkünfte als Statussymbol – die Idee macht stutzig, irritiert. Kann man Wohnungslosen eine Art Käfig als Übergangsquartier zumuten? Gibt es Menschen, die ihren minimalen Wohnraum als transportablen Container hinter sich herziehen möchten? Die Irritation ist selbstverständlich gewollt. Winfried Baumann, der diese Produktpalette speziell für Urbane Nomaden erdacht hat, sieht sich zuerst als Künstler. „Aber ich will mich einmischen. Es ist politische Kunst, ich beschäftige mich mit Themen des Alltags.“
Zu sehen gab es diese Kunst am Wochenende in Hildesheim. Die Diakonie Himmelsthür mit ihren Tochterunternehmen Herberge zur Heimat Himmelsthür, proWerkstätten Himmelsthür und Kinder- und Jugendbereich sowie das Projekt Nordstadt.Mehr.Wert der Lebenshilfe hatten Winfried Baumann eingeladen. Er passt perfekt in ihren Beitrag zum 1200-jährigen Jubiläum Hildesheims. Denn unter dem Titel „1200 Hildesheimer Gestalten“ wollen die Projektpartner Randgruppen in den Blick rücken.
Das ist auch Ziel des Künstlers Winfried Baumann, der mit seinen Kunstobjekten einen neuen Blick auf Urbane Nomaden ermöglicht oder sie überhaupt erst sichtbar macht. Kunst könne keine Probleme lösen, betont Winfried Baumann: „Es ist die Aufgabe der Kunst, Fragen zu stellen. Fragen zu beantworten, ist die Aufgabe von uns allen.“ Die dürfe auch nicht auf soziale Einrichtungen und Politiker abgewälzt werden.
Die Objekte des Künstlers sind aber nicht nur zum Angucken da, sie sind praktisch anwendbar und durchdacht, funktional und formschön. Vor der Herberge zur Heimat in der Gartenstraße hatte einer seiner mobilen Kleinküchen Halt gemacht: Eine Kochstation im Container-Format, die sich überall aufstellen lässt, wo Menschen Hunger bekommen. Herbergsleiterin Daniela Knoop und Praktikantin Verena Scheel verteilten Wok-Gemüse und Reis an die Gäste der Kooperationspartner und die Bewohner der Herberge zur Heimat.
16 Männer haben dort eine Unterkunft auf Zeit gefunden, einer von ihnen ist Patric Dauert. Er hat schon beim Aufbau geholfen, denn ihm gefällt das außergewöhnliche Projekt. Endlich gehe es dabei mal um die Lebenssituation der Wohnungslosen, „meist ist das den Leuten doch scheißegal.“
450 Menschen seien regelmäßige Gäste im Tagesaufenthalt der Herberge in der Hannoverschen Straße, sagt Judith Hoffmann, Geschäftsführerin der Herberge zu Heimat. Einige haben inzwischen eine Wohnung, legen aber immer noch wert auf den Kontakt. Andere leben in den Obdachlosenunterkünften, manche wollen auch gar keine feste Bleibe, sondern lieber „Platte machen“.
Doch selbst diejenigen, die am liebsten unter freiem Himmel schlafen, zwingt die Witterung manchmal unter ein festes Dach. Winfried Baumanns Notbetten aus seiner Instant-Housing-Reihe könnten das bieten: Schicke Container, die sich ziehen lassen wie ein Rollenkoffer. Unterwegs finden der Schlafsack und ein paar Habseligkeiten darin Platz. Zum Schlafen kann man eine Liege herausziehen und ein Zeltdach aufklappen, fertig ist die regenfeste Unterkunft – eine Alternative zum Pappkarton, wie Winfried Baumann sagt. Die verschiedenen Modelle konnten die Hildesheimer auf der Lilie besichtigen.
Aus einem weiteren Teil der Ausstellung des Künstlers wurde allerdings nichts: Statt des warmen Fußbades gab es eine kalte Dusche. 20 Plätze hatten Stefanie Kreuzkam, Telke Heuer und Louise Eichele von der Cluster Sozialagentur auf der Lilie aufgebaut, um den gestressten Füßen der städtischen Asphalt-Nomaden ein erholsames Bad in warmem, duftendem Wasser zu gönnen.
Das sollte nicht nur der Körperpflege dienen, sondern auch ein Zeichen von Hinwendung und Wertschätzung sein und Gespräche in Gang bringen, erklärte Frank Auracher vom Projekt Nordstadt.Mehr.Wert. Winfried Baumann hat für solche Aktionen kompakte Waschkombinationen entwickelt, komplett mit Handtuch und Badesalz. Doch das ungemütliche Regenwetter fegt die Lilie von Passanten leer.
Schönes Wetter und Gespräche gab es dagegen am Abend zuvor vor dem Theater für Niedersachsen. Dort weckten die Cagemen das Interesse von Theater- und Kinogängern: Stapelbare, vergitterte Kästen, in denen gerade genug Platz ist für einen Menschen und sein Gepäck. Ein geschützter Raum ohne jede Privatsphäre, der zu Fragen herausfordert. Drei derzeitige Bewohner der Herberge zur Heimat rollten als Cagemen ihre Decken aus und blieben über Nacht. Wiebke Barth
Bilder:
An der mobilen Küche gibt es beim Instant Cooking Wok-Gemüse und Reis: (Von links) Judith Hoffmann, Patric Dauert, Winfried Baumann, Miriam Raabe, Frank Auracher, Verena Scheel und Daniela Knoop.
Künstler Winfried Baumann (links) plaudert beim Instant Cooking mit Patric Dauert.
Wer Campingurlaub gewöhnt sei, komme auch mit der Liege im Container gut zurecht, meint Judith Hoffmann, Regionalgeschäftsführerin der Diakonie Himmelsthür. Miriam Raabe, Daniela Knoop und Frank Auracher gucken lieber nur.
Quelle: Barth