„Hinter die Fassade gucken“

Tue, 20 Oct 2015 11:19:03 +0000 von Ralf Neite

Die Herberge zur Heimat lädt Mitarbeitende, BewohnerInnen und Nachbarn zur Ideenwerkstatt

Hildesheim. Wie kann man die Herberge zur Heimat erfolgreich umgestalten? Um diese Frage zu beantworten, hat Daniela Knoop, Projektleiterin des traditionsreichen Hauses an der Gartenstraße, zur Ideenwerkstatt geladen. BewohnerInnen, Mitarbeitende und Nachbarn treffen sich in den Gemeinschaftsräumen der Herberge. Und zur Begrüßung bekommen die Besucher erst einmal einen Klebestreifen mit ihrem Namen auf die Brust geklebt. Schließlich soll mit der Umgestaltung der Herberge auch ein Dialog angestoßen werden.

Mitarbeitende und BewohnerInnen der Herberge zur Heimat haben die Gemeinschaftsräume vorbereitet. Auf Stehtischen liegen Tischdecken aus Packpapier, auf die Ideen notiert werden dürfen. Jeder Tisch kreist dabei um eine bestimmte Frage, zum Beispiel: „Was brauchen wir für die Zukunft?“ Oder: „Was kommt in unseren Veranstaltungskalender?“

„Wir wollen das Haus für den Stadtteil öffnen“, betont Daniela Knoop. Die neue Gestaltung der Herberge zur Heimat, die obdachlose Männer mit sozialen Schwierigkeiten aufnimmt, solle zu einem Ergebnis führen, das von allen Seiten akzeptiert werde. Immerhin sei die Herberge seit 135 Jahren im Quartier verankert, und man spüre immer wieder die Wertschätzung der Nachbarschaft, wenn es etwa um Unterstützung durch Spenden gehe. Wünschenswert sei darüber hinaus, dass die Bewohner des Hauses in Zukunft noch stärker ins Leben des Stadtteils eingebunden und akzeptiert würden.

Um das zu schaffen, kommen an diesem Abend viele Ideen zusammen. Auf einem Tisch steht, dass auch Paare in der Herberge zur Heimat aufgenommen werden sollten. „Und warum sollten hier nicht auch Menschen mit ihrem Hund leben dürfen“, wirft Daniela Knoop ein. „Bitte im nächsten Jahr wieder bei „Hinten im Hof“ mitmachen“, heißt es an einem anderen Platz, an dem Ideen für den neuen Veranstaltungskalender gesucht werden.

„So eine Ideenwerkstatt ist natürlich eine gute Gelegenheit, einmal hinter die Fassade des Hauses zu gucken“, erklärt Marc Wübbenhorst vom Büro für Soziale Architektur alberts architekten, das die Umgestaltung der Herberge unterstützt. Das Architekturbüro legt dabei besonderen Wert auf Beteiligungsmöglichkeiten. „Schließlich kann die Herberge zur Heimat von der geballten Erfahrung rund um das Haus profitieren“, verdeutlicht Marc Wübbenhorst. Dabei sei noch vollkommen offen, in welcher Form die Herberge umgestaltet werde.

Man wolle die Gelegenheit nutzen, ein paar Veränderungen anzustoßen, nachdem die Herberge zur Heimat 2014 in die Trägerschaft der Diakonie Himmelsthür übergegangen sei, ergänzt Judith Hoffmann, Geschäftsführerin der Herberge zur Heimat. Ein Ansatz könne dabei sein, Mini-Appartements in der Herberge einzurichten, die über eine eigene Küche und ein kleines Bad verfügten. „Und natürlich werden wir bei möglichen Umbaumaßnahmen auch ein Auge darauf haben, dass die schlichte, wunderschöne Architektur des Hauses wieder zum Vorschein kommt“, betont Judith Hoffmann. Schließlich sei die Herberge zur Heimat ein Haus mit enormer Tradition.

Auf einen Teil dieser Geschichte blicken Marlene Tute und Ingeborg Große zurück. Die Schwestern wurden in der Herberge zur Heimat geboren. Ihre Eltern leiteten das Haus, das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde, über 30 Jahre. In der Nachkriegszeit mussten die Vertriebenen aus den Ostgebieten aufgenommen werden, berichtet Marlene Tute, die historische Fotos und Geschichten rund um die Herberge in einem Band versammelt hat. Ihre Mutter habe jeden Tag für alle gekocht, der Vater Tag und Nacht gearbeitet: „Keine leichte Zeit.“ Um so erfreulicher sei, dass die Herberge zur Heimat auch heute noch wohnungslose Menschen aufnehme, ergänzt Ingeborg Große. „Es ist schön, dass es jetzt so ist, wie es ist.“

Dem stimmt auch Frank Sandrock, ehemaliger Bewohner der Herberge, zu. „Durch die Zeit hier habe ich wieder Halt im Leben gefunden und bin vom Alkohol weggekommen“, erklärt der gelernte Gas-Wasser-Installateur, der inzwischen seinen Beruf wieder ausüben kann. Er wünsche sich eigentlich nur, dass im Haus ein striktes Alkoholverbot gelte. Schließlich sei die Herberge zur Heimat „der schönste Schlafplatz in der Stadt“, fügt Waldemar Bunzeck hinzu. Man könne Billard spielen oder gemeinsam ins Theater gehen. Und an Veranstaltungen wie dem jährlichen Drachenbootrennen auf dem Maschsee teilnehmen. Darüber würden die Bewohner in behördlichen Belangen und bei der Wohnungssuche unterstützt. „Man ist hier nicht verloren“, sagt Frank Sandrock.

Bilder:

V.l.n.r. Daniela Knoop, Leiterin der Herberge zur Heimat, Marlene Tute und Ingeborg Große, deren Eltern das Haus über 30 Jahre leiten, und Judith Hoffmann, Geschäftsführer der Herberge zur Heimat.

Frank Sandrock und Waldemar Bunzeck, ehemalige Bewohner der Herberge zur Heimat, diskutieren mit Marc Wübbenhorst vom Büro Alberts Architekten über die Zukunft des Hauses.
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